Forschungszentren

          

Das Institut für Transzendentalphilosophie und Phänomenologie hat folgende Forschungsschwerpunkte:

1) Klassische Deutsche Philosophie. Ein erstes Forschungsgebiet umfasst die Transzendentalphilosophie und die Ontologie. Hierfür sollen die verschiedenen Spielarten derselben erforscht und vertieft werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Hauptvertretern der Klassischen Deutschen Philosophie – also in erster Linie Kant, Fichte, Hegel und Schelling (wobei aber natürlich auch Novalis, Hölderlin, Maimon, Jacobi, Schlegel, Reinhold, etc. nicht unberücksichtigt bleiben). Hierzu wird u.a. eine internationale Arbeitsgruppe über Fichte und die transzendentale Philosophie gebildet, um an die von Wolfgang Janke jahrelang wirkungsvoll repräsentierte Fichte-Forschung anzuknüpfen und diese in Wuppertal wiederaufleben zu lassen. Es geht dabei aber nicht um die Beschränkung auf einen einzelnen Autor: Ziel ist es vielmehr, eine grundlegende, rein sach- und problembezogene Debatte zwischen jenen Protagonisten zu fördern, damit sich ihre Rezeption nicht auf die epigonenhafte Paraphrase des jeweiligen Corpus beschränkt.

2) Phänomenologie. Dank des überaus produktiven Wirkens von Klaus Held und László Tengelyi hat die phänomenologische Forschung in Wuppertal in den letzten Jahrzehnten weltweite Beachtung erlangt. (Hierzu trägt auch Peter Trawny mit seiner Arbeit am Heidegger-Institut bei.) Das besondere Anliegen des Instituts für Transzendentalphilosophie und Phänomenologie ist es, die Position Wuppertals als eines der bedeutendsten Zentren der phänomenologischen Forschung in Deutschland und Europa zu festigen und auszubauen. Ein erster Sachbereich betrifft die Auslegung der Werke der Gründerväter der Phänomenologie (Husserl und Heidegger) sowie ihrer Schüler und Nachfolger (von Landgrebe und Fink bis hin zu Blumenberg). Hierauf aufbauend besteht ein zweiter Sachbereich in der Erforschung und Vertiefung der wesentlichen Errungenschaften der französischen Phänomenologie (insbesondere bei Merleau-Ponty, Sartre, Levinas, Derrida, Desanti). Die herausragende Figur in der neueren Phänomenologie in Frankreich ist (neben Michel Henry) Marc Richir. Seine Arbeiten gehören zu den z.Zt. innovativsten Beiträgen zur französischsprachigen Phänomenologie überhaupt. An den Lehrstuhl wird ein Forschungsarchiv angebunden, das Richirs Nachlass und dessen private Handbibliothek der Forschung zugänglich machen soll.

Präsentation der Phänomenologie in Wuppertal (2017)

3) Metaphysik. Diese verschiedenen Forschungsrichtungen laufen in dem philosophischen Projekt einer „konstruktiven Phänomenologie“, eines „spekulativen Transzendentalismus“ bzw. einer „generativen Metaphysik“ zusammen. Es handelt sich dabei um eine neugegründete transzendentale Phänomenologie, die keinem klassischen Begründungsmodell mehr unterliegt, sondern eine „phänomenologische Metaphysik“ zu entwickeln versucht, welche die Begründungs- und Legitimationsfrage der transzendentalen Erkenntnis einerseits im Lichte der besagten Errungenschaften der neueren französischen Phänomenologie, andererseits auch in der kritischen Auseinandersetzung mit anderen Positionen – etwa mit der Naturalisierung des Bewusstseins, dem „spekulativen Realismus“ oder den Entwürfen einer „narrativen Selbstkonstitution“ – einer gründlichen Neubetrachtung unterzieht. Hierbei soll betont werden – und das macht vielleicht die Spezifizität der phänomenologischen Forschung in Wuppertal im Vergleich zu anderen Standorten aus –, dass nicht nur allzu radikal gefasste (und unbegründete) Gegensätze der Husserl’schen und der Heidegger’schen Tradition zurückgewiesen, sondern auch die nachkantische Transzendentalphilosophie und die Phänomenologie des 20. und 21. Jahrhunderts ihrerseits in ihren wesentlichen und entscheidenden Überschneidungen untersucht werden. Die neuesten Forschungen im Gebiet der spekulativen Grundlagen der Transzendentalphilosophie kommen nicht ohne die Begutachtung der gemeinsamen reflexiven und auf Kant zurückweisenden, ursprünglichen Ansätze des Deutschen Idealismus und der Phänomenologie aus. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Realismus-Problematik und der Erörterung des Status von „Sinnbildung“ und „Realität“.

4) Philosophie und Anthropologie. Ein weiteres bedeutsames Forschungsanliegen des Instituts betrifft das Verhältnis von Philosophie und Anthropologie (im Sinne der „Cultural Anthropology“). In letzter Zeit besteht ein neuartiges Interesse der Anthropologie an Fragen der theoretischen Philosophie (und umgekehrt). Die Auslegung jüngerer Feldforschungen im Bereich der indioamerikanischen und ostasiatischen Ethnologie (und Ethnographie) hat insbesondere dazu geführt, die Frage nach der „Ontologie“ bzw. den „Ontologien“ in die Kulturanthropologie einzuführen. Hierbei wird der Zusammenhang sowohl mit der frz. Philosophie (Ingold, Viveiros de Castro) als auch mit der Phänomenologie (Descola) betont. Es ist ein sehr lohnenswertes Forschungsfeld, diese Debatte vom Standpunkt der Phänomenologie aus zu bereichern. Die Ergebnisse der anthropologischen und ethnologischen Forschungen sollen dabei den ihnen gebührenden Stellenwert innerhalb der philosophischen (bzw. phänomenologischen) Diskussion erhalten.

Schließlich setzt sich die phänomenologische Anthropologie auch mit der Psychoanalyse und der Psychopathologie auseinander. Diesem Forschungsfeld wird das Institut ebenfalls besondere Beachtung schenken in der Absicht, die Diskurse der Phänomenologie, der Anthropologie und der Psychoanalyse (bzw. Psychiatrie) untereinander zu kreuzen und die sich daraus ergebenden Einsichten philosophisch fruchtbar zu machen.